Menschen haben ein untrügliches Gespür für Zombiehaftigkeit
Ich bin mir gar nicht sicher, ob „Zombiehaftigkeit“ wirklich ein Wort ist. Aber es ist bisher der beste Begriff, der mir in den Sinn kam, um eine ganz besondere Qualität menschlicher Interaktion zu beschreiben. Der Besuch bei der Großtante zum 76. Geburtstag, an dem alle höflich familiäre Eintracht aufführen und froh sind, wenn sie wieder im Auto sitzen. Oder das wöchentliche Abteilungsmeeting, in dem die Zeit stillsteht und alle Lebenskraft entwichen ist.
„Da muss ich halt durch. Auch das geht vorbei.“, ist ein gängiger Gedanke der persönlichen Selbsterhaltung. Der Zweck der Übung? Sich gegenseitig der Rollen und Rituale versichern? Ja, wir sind noch eine Familie! Ja, wir arbeiten alle in einer Abteilung „zusammen“! Eine Pflichtübung ohne jede Leidenschaft.
Wäre das hier ein TV-Werbespott, müsste es jetzt heißen: „Aber halt! Das muss nicht sein! Da gibt es eine Lösung von …“. Wenn man denn nur einfach etwas Geld in die Hand nehmen und ein Produkt kaufen könnte, das endlich wieder Farbe in den grauen Alltag bringt.
Ich glaube, der erste Schritt ist, bewusst wahrzunehmen, wenn man sich in einer lebensfeindlichen Situation wiederfindet. Wenn der Smalltalk vor allem small ist. Wenn wir freudloses Business-Theater aufführen. Wenn wir mühsam eine Veranstaltung durchstehen.
Wir Menschen haben ein untrügliches Gespür für Zombiehaftigkeit. Aber wir haben uns auch angewöhnt, dieses Gefühl zu ignorieren. Würden wir uns dem Gefühl zuwenden und dafür Raum im Bewusstsein freiräumen, könnte das schmerzhaft werden. Sinnfragen, Selbstzweifel und Ekel könnten aufkommen. Will man das nicht, sollten man sich weiter einreden: „So ist nun mal Familie / Zusammenarbeit / Business.“
Nimmt man aber die Zombiehaftigkeit bewusst wahr, eröffnet das die Gelegenheit, sich selbst und das knöcherne Spiel zu beobachten. Was wird hier aufgeführt? Welche Funktion hat das? Wovon halten wir uns damit ab? Was bringe ich von mir selbst deshalb nicht ein?